Ein Leben komplett auslassen, es in eine Tasse stopfen.

Ein Liebesbrief an die Texte von Pale Blue Eyes von The Velvet Underground.

Phil Adams
Phil Adams

Follow

Dec 4, 2017 – 4 min read

Bergen, Norwegen 10/03/2012 von David Jones. Verwendet unter einer Creative Commons CC BY-NC 2.0 Lizenz.

Linger on your pale blue eyes.

Pale Blue Eyes lässt dies wie ein gewöhnliches Liebeslied klingen. Ist es aber nicht. Die entscheidenden Worte in jedem Refrain beziehen sich nicht auf die Augenfarbe, sondern auf klagende Resignation. Lou Reed verweilt jedes Mal wehmütig auf „linger on“, wenn er es singt. Stellen Sie sich vor, er brennt eine viertel Zigarette in einem einzigen Zug ab und singt durch die Ausatmung.

Es ist ein Liebeslied. Nur nicht diese Art.

Manchmal fühle ich mich so glücklich. Manchmal fühle ich mich so traurig. Manchmal fühle ich mich so glücklich, aber meistens machst du mich nur wütend. Baby, you just make me mad.

‚Sometimes I feel so happy, but mostly you just make me mad‘, das klingt wie ein ganz normaler Trennungssong. Oder ein Standard-Song aus der Reihe „Es war toll, solange es dauerte“. Oder direkt aus dem zentralen Casting für Du-bringst-mich-auf-die Palme-aber-ich-liebe-dich-zu-viel-um-dich-zu-verlassen-Songs. Ich bin wütend auf mein Mädchen. Mein Mädchen ist sauer auf mich. Ich kann dich nicht aufgeben, Babe. Lou Reed und die unglückliche Frustration, die ihn zu seinen Liedern getrieben hat.

Frustriert, sicher. Aber nicht so, wie du denkst.

Ich dachte an dich als meinen Berggipfel. Dachte an dich als meinen Gipfel. Thought of you as everything I’ve had but couldn’t keep.

‚I’ve had but couldn’t keep,‘ das klingt wie ein ganz normales Lied über unerwiderte Liebe. Sie ist eine Nummer zu groß für ihn. Sie ist aus seinem Leben verschwunden. Ein romantischer Wertetausch, der völlig aus dem Gleichgewicht geraten ist. Unausgewogen. Unhaltbar. Tränen, die für niemanden geweint werden. Sie braucht ihn nicht.

Dieses Lied ist tragisch. Nur nicht auf diese Weise.

Wenn ich die Welt so rein und seltsam machen könnte wie das, was ich sehe, würde ich dich in den Spiegel stellen, den ich vor mich stelle.

‚Ich würde dich in den Spiegel stellen‘, das klingt wie ein ganz normales Lied über die Liebe meines Lebens. Obsessive Liebe. Dich in einen Spiegel stellen, dich auf ein Podest stellen. Die besitzergreifende Ungewissheit. Sein Wunsch, die Welt mit dem Maßstab ihrer Reinheit neu zu gestalten. Der Druck auf sie, einzigartig und perfekt zu sein. Eine absolutistische Verliebtheit. Unmöglich hohe Erwartungen, die sie unweigerlich vertreiben.

Diese Liebe ist dem Untergang geweiht. Aber nicht auf diese Weise.

Ein Leben komplett auslassen. Stopf es in einen Becher. Sie sagte: „Geld ist wie wir in der Zeit, es lügt, kann aber nicht aufstehen. Unten für dich ist oben.“

‚Unten für dich ist oben‘, das klingt wie ein alltägliches Lied, das ihn sanft herunterlässt. Sie liefert ein Post Mortem für die Beziehung, während ihr Körper noch warm ist. Es war gut, solange es dauerte. Es liegt nicht an dir, es liegt an mir. Es liegt nicht an mir, es liegt an dir. Es liegt an uns. Das sind die üblichen Klischees. Wir waren nicht füreinander bestimmt.

Dieser Song stellt die Dinge auf den Kopf. Aber nicht in der down is up Strophe.

Es war gut, was wir gestern getan haben, und ich würde es wieder tun. Die Tatsache, dass du verheiratet bist, beweist nur, dass du mein bester Freund bist. Aber es ist wirklich, wirklich eine Sünde.

‚Die Tatsache, dass du verheiratet bist‘, entpuppt sich als ein außergewöhnliches Lied. Ein Liebeslied mit einem Stachel, mit einer Sünde, in seinem Schwanz. Was auch immer sie gestern getan haben, sei es frivol, romantisch oder fleischlich, es war alles andere als ein Geschäft. Es konnte nicht als bedeutungslos abgetan werden. Er hat das Verbrechen begangen und muss nun seine Zeit absitzen. Er wird noch ein letztes Mal bei diesen blassblauen Augen verweilen, bevor er zum Liebeskummerbrei heruntergeholt wird.

Blassblaue Augen ist alles andere als alltäglich. Es ist ein Zeugnis des müden Bedauerns. Eine Tragödie in fünf Strophen. Hoffnungslos romantisch, aber mit distanzierter, studierter Akzeptanz der fünften Stufe vorgetragen. Das Herz regiert den Kopf. Aber das Herz weiß, dass der Kopf die Kontrolle zurückerobert hat. Die einzige Emotion in der letzten Strophe wird von einer gequälten Gitarrensaite über dem Wort „married“ erzeugt. Sie wird in der Mitte des Tons gedehnt, als ob sie gleichzeitig gestimmt und gespielt würde. Eine Metapher für Lou Reeds Herzenssaiten auf der Folterbank.

Dies ist ein Liebesbrief an eine bemerkenswerte Studie über stille Verzweiflung. Es ist ein sehnsüchtiger Blick, ein verweilender Blick, in ein Paar blassblaue Augen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.