Abstract
Wir berichten über den Fall eines 66-jährigen Mannes mit einer zervikalen Halsmasse hinter dem linken Musculus sternocleidomastoideus. Um eine bösartige Erkrankung auszuschließen, wurde eine umfassende Untersuchung durchgeführt, die eine klinische, radiologische und zytologische Untersuchung umfasste, jedoch keine eindeutige Diagnose ergab. Die histologische Analyse nach der Exzisionsbiopsie ergab eine gutartige Epithelzyste, die einer atypisch gelegenen Astialzyste entsprach. Wir beschreiben einen Ansatz für die Behandlung dieser Halsmassen und erörtern mehrere Theorien zur Ätiologie von Astialzysten und wie es zu ihrer abnormalen Lage kommen kann.
1. Fallvorstellung
Ein 66-jähriger Mann wurde mit einer seit 2 Tagen bestehenden schmerzlosen Masse am linken Hals in unsere Abteilung überwiesen. Er verneinte alle anderen Symptome und gab an, nur gelegentlich Alkohol zu trinken und vor etwa 30 Jahren mit dem Rauchen aufgehört zu haben (insgesamt 10 Packungsjahre). Die klinische Untersuchung ergab einen gut definierten, schmerzlosen Knoten am Hals, der sich hinter dem Musculus sternocleidomastoideus in der Nähe des Mastoids befand. Der Knoten war etwa 5 Zentimeter groß, ungefähr oval und nicht mit den angrenzenden Strukturen verwachsen. Es gab keine umgebenden Hautveränderungen oder andere Begleitbefunde. Die intraorale Untersuchung und die transnasale Fiberendoskopie waren normal. Der zervikale Ultraschall zeigte eine unregelmäßig gewandete Masse mit einem Durchmesser von 5 cm und hyperechogenen Reflexen in einem echoarmen Zentrum. Die anderen Halsstrukturen waren sonographisch unauffällig. Die Magnetresonanztomographie (MRT) zeigte eine zystische Läsion mit unregelmäßiger Wand seitlich und hinter dem Musculus sternocleidomastoideus (Halsebene fünf; siehe Abbildungen 1 und 2). Eine wiederholte Feinnadelaspirationszytologie (FNAC) ergab Plattenepithelzellen ohne Anzeichen von Malignität, was auf eine Branchialspaltenzyste hindeutet. Angesichts des Alters der Patientin und der atypischen Lokalisation schloss die Differentialdiagnose jedoch eine Metastase eines gut differenzierten Plattenepithelkarzinoms (SCC) ein. Wir empfahlen der Patientin daher eine Panoramaskopie und eine Exstirpation der Masse mit intraoperativer Schnellschnittanalyse des Präparats. Die Patientin war mit einer Halsdissektion im Falle einer Malignität einverstanden. Die Panendoskopie ergab keinen zusätzlichen Befund, und sowohl die intraoperative Schnellschnittuntersuchung als auch die endgültige Histologie der exzisionalen Biopsie bestätigten eine Branchialspaltenzyste. Der Patient erholte sich nach der Operation gut und wurde 12 Monate später aus der Nachsorge entlassen.
Axiale Dias der T1-gewichteten MRT zeigen eine hyperintense zystische Läsion hinter dem linken Musculus sternocleidomastoideus in der Halsebene fünf.
Axiale Dias der T2-gewichteten MRT zeigen eine hyperintense zystische Läsion hinter dem linken Musculus sternocleidomastoideus in der fünften Halsebene.
2. Diskussion
Bei Patienten, die älter als 40 Jahre sind, insbesondere bei Risikofaktoren für eine bösartige Erkrankung, ist es ratsam, alle zystischen Läsionen des Halses bis zum Beweis des Gegenteils als bösartig anzusehen. Bei Patienten, die jünger als 40 Jahre sind, sollten Kliniker auf eine Metastase eines papillären Schilddrüsenkarzinoms achten. Nach einer sorgfältigen Anamnese und gründlichen klinischen Untersuchung sollten die weiteren Untersuchungen eine Ultraschalluntersuchung des Halses einschließlich FNAC und eine dreidimensionale Bildgebung mittels Computertomographie (CT) oder MRT umfassen. Die ultraschallgesteuerte FNAC ist häufig diagnostisch, ihre Sensitivität sinkt jedoch von >95% bei soliden Tumoren auf 50%-73% bei zystischen Läsionen. Wenn die FNAC keine definitive Diagnose liefert, empfehlen wir weitere diagnostische Schritte, einschließlich einer Panoramaskopie des oberen Aerodigestivtrakts und einer Exzision der Zyste mit intraoperativem Schnellschnitt.
Bei den malignen Läsionen haben Plattenepithelkarzinome (SCC) des Waldeyerschen Rings (z. B. Gaumen- und Zungenmandeln) und papilläre Schilddrüsenkarzinome eine Vorliebe für zystische Lymphknotenmetastasen. Der genaue Mechanismus für die Entstehung von zystischen Lymphknotenmetastasen ist jedoch unklar. Es wurden sowohl Tumornekrosen, die eine Pseudozyste bilden, als auch echte zystische Hohlräume gefunden, die von neoplastischem Epithel ausgekleidet sind. In der Tat hat die Expression von Cytokeratin 7 einige zu der Hypothese veranlasst, dass eine Untergruppe von SCC des Waldeyerschen Rings von Ausführungsgängen kleinerer Speicheldrüsen ausgehen könnte und daher zur Bildung zystischer Läsionen neigt.
Die Ätiologie gutartiger Zervixzysten ist ebenfalls unklar. Die populärste, aber immer noch umstrittene Theorie ist die Theorie des Astialapparates, die erstmals 1832 von von Ascherson beschrieben wurde. Leider lassen sich die atypischen Lokalisationen von Astialzysten mit dieser Theorie nur unzureichend erklären, so dass Alternativen vorgeschlagen wurden, wie z. B. die Zervikalsinustheorie, die Thymopharyngealtheorie und die Inklusionstheorie. Die Zervikalsinustheorie ist eine Erweiterung der Theorie des Astialapparats, die sich auf laterale Zervikalzysten konzentriert. Sie geht davon aus, dass die Astialfisteln eher mit dem Zervikalsinus als mit den Pharynxspalten und -taschen zusammenhängen. Andere Autoren stellten die Hypothese auf, dass die Entwicklung der lateralen Zervikalzysten mit der Embryologie des Thymus zusammenhängt, der über den Ductus thymopharyngeus aus dem dritten Rachensack entspringt.
Die Thymopharyngealtheorie besagt, dass die lateralen Zervikalzysten das Ergebnis einer unvollständigen Obliteration des Ductus thymopharyngeus sind.
In einem ähnlichen Fall wie dem unseren schlugen Grignon et al. vor, dass die Lage der Astialzyste das Ergebnis der Organogenese des Musculus sternocleidomastoideus ist, die unabhängig von der Entwicklung des Astialapparats ist und kraniokaudal und dorsoventral verläuft. Es würde daher vorhersagen, dass sich kraniale Astialzysten anterior des Muskels und eine kaudale Astialzyste posterior befinden würden. Bhaskar und Bernier untersuchten 468 Exemplare von Astialzysten und schlugen vor, dass es sich bei den meisten Astialzysten um Zysten in Lymphknoten handelt, die durch Einlagerung von Epithel während der Embryogenese entstanden sind (so genannte „Einlagerungstheorie“). Ihre Schlussfolgerungen trugen dazu bei, drei Befunde zu erklären, die mit der Theorie von Grignon unvereinbar zu sein scheinen: (1) das Vorhandensein von umgebendem lymphatischem Gewebe wie Sinusoiden in den Zysten, (2) Größenschwankungen bei Infektionen des oberen Aerodigestivtrakts und (3) die Tatsache, dass die Zysten bei der Geburt kaum zu sehen sind. Daher wurde vorgeschlagen, den Begriff „gutartige lymphoepitheliale Zyste“ anstelle von „Astialzyste“ zu verwenden. Außerdem erklärt diese Theorie auch die seltene Lage der Zysten hinter dem Musculus sternocleidomastoideus. In der Tat fanden Bhaskar und Bernier in ihrer Serie 5 der 468 Zysten im hinteren Teil des Halsdreiecks (Halsebene 5).
3. Schlussfolgerung
Die Diagnose einer Astialzyste sollte – vor allem bei Patienten über 40 Jahren – nur in Betracht gezogen werden, wenn eine bösartige Erkrankung ausgeschlossen wurde, und sollte nicht aufgrund einer atypischen Lage abgelehnt werden. Während bei älteren Patienten ein metastasierender SCC wahrscheinlicher ist, sollte bei jüngeren Patienten ein metastasierender papillärer Schilddrüsenkrebs in Betracht gezogen werden. Es gibt mehrere Theorien zur Ätiologie der Astialzystenbildung, und einige, wie die Einschluss-Theorie, sind besser in der Lage, abnormale Lokalisationen zu erklären.
Interessenkonflikt
Die Autoren erklären, dass sie keinen Interessenkonflikt haben.