Ugrische Sprachen

KonsonantenBearbeiten

Zwei gemeinsame phonetische Merkmale der ugrischen Sprachen sind eine Neuordnung des proto-uralen (PU) Systems der zischenden Konsonanten und eine Verlängerung der velaren Konsonanten:

  • PU *s und *š verschmolzen und entwickelten sich zu einem nicht-zischenden Laut (möglicherweise oder ), was zu Mansi /t/, Khanty *ɬ → /t/ oder /l/ (je nach Dialekt) führte und im Ungarischen verloren ging.
  • PU *ś depalatisiert zu *s.
  • PU medial *x, *k, *w generell zu *ɣ lenitiert.

Es wurde jedoch darauf hingewiesen, dass diese Veränderungen auch für die samojedischen Sprachen gelten.

Der Konsonantencluster *lm ist in den ugrischen Sprachen meist auf schlichtes /m/ reduziert (z. B. PU *śilmä ‚Auge‘ → ungarisch szem, Mansi сам /sam/, Khanty сем /sem/). Eine merkwürdige Ausnahme ist das Zahlwort ‚3‘, bei dem Ungarisch (három) und Mansi (хурэм /xuːrəm/) auf einen ursprünglichen Cluster *rm hinweisen, während der Rest der uralischen Familie auf ursprüngliches *lm hindeutet (Khanty холәм, Finnisch kolme, Estnisch kolm, Inari Sami kulma, Erzya колмо, etc.) Dies wurde häufig als Argument dafür angeführt, dass das Ungarische näher mit Mansi als mit Chanty verwandt ist. Es wurde auch der umgekehrte Fall vorgeschlagen – Ungarisch und Mansi behielten die ursprüngliche Form des Zahlworts bei, während Chanty und alle finnisch-permischen Sprachen aus irgendeinem Grund /l/ erneuert hätten.

Ungarisch und der aktuelle literarische Standard Mansi und Chanty haben alle eine Spiralisierung des proto-uralen *k zu /h/ oder /x/ vor rückwärtigen Vokalen gemeinsam, z.B. „Fisch“: PU *kala → ungarisch hal, Mansi хул /xuːl/, Khanty хул /xul/. Dies ist an sich kein übliches ugrisches Merkmal – /k/ bleibt in anderen Mansi- und Khanty-Dialekten erhalten (z. B. östliches Khanty /kul/, südliches Mansi /koːl/ ‚Fisch‘), aber es wurde argumentiert, dass es aus einer proto-ugrischen Aufspaltung von *k in vordere und hintere Allophone ~ resultiert, wobei letztere dann in allen drei Fällen unabhängig voneinander spirantisieren.

Die drei ugrischen Varietäten teilen auch die Lateralisierung des proto-ugrischen *δ zu *l (wie die permischen Sprachen), aber es ist möglich, dass dies erst nach der Entstehung des retroflexen *ɭ aus dem PU *l im Khanty auftritt. Ein weiteres mögliches Gegenargument ist die ähnliche Lateralisierung des palatalisierten Gegenstücks *δ́ → Mansi /lʲ/, die wahrscheinlich eine gleichzeitige Veränderung mit der Lateralisierung von *ð war. In Chanty ist der Reflex /j/, während es auch Fälle von /lʲ/ gibt, was auf eine separate Entwicklung hindeuten könnte. Ein ursprüngliches *ĺ wird jedoch für ältere Stadien des Uralischen nicht mehr rekonstruiert, so dass der Ursprung des kantischen /lʲ/ eine offene Frage bleibt.

Eine Neuerung, die eindeutig auf die ugrischen Sprachen beschränkt ist, ist die Entwicklung von *ŋ zu *ŋk, obwohl es dazu in jeder Sprache zahlreiche Ausnahmen gibt.

VokaleBearbeiten

Die Entwicklung des Vokalsystems bleibt interpretationsbedürftig. Alle drei ugrischen Zweige kontrastieren die Vokallänge; im Ungarischen ist dies eine späte Entwicklung, die im Allgemeinen durch kompensatorische Verlängerung nach dem Verlust unbetonter Vokale und *ɣ zustande kam. Die ob-ugrischen Sprachen hingegen leiten ihre Quantitätskontraste hauptsächlich von PU-Qualitätskontrasten ab: so zum Beispiel im Nordmanischen PU *peljä ‚Ohr‘ → *päĺ → /palʲ/, aber PU *pälä ‚halb‘ → *pääl → /paːl/.

Kontraste zwischen PU-Stammvokalen (*a/*ä vs. *i) sind in den modernen ugrischen Sprachen nicht als solche erhalten, aber sie hinterlassen häufig ihre Spuren in den Vokalqualitäten der ersten Silbe, was darauf hindeutet, dass der Kontrast zumindest bis zum proto-ugrischen Stadium erhalten blieb. Zum Beispiel: PU *ńïxli ‚Pfeil‘ → ungarisch nyíl, aber PU *mïksa ‚Leber‘ → ungarisch máj. Reste ursprünglicher Stammvokale finden sich auch in den ältesten ungarischen Belegen, wie z. B. PU *konta ‚Gruppe, Jagdgesellschaft‘ → altungarisch hodu ‚Heer‘ (→ modernes Ungarisch had).

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.